Es ist der Tell aus Bürglen …

Die Schächentaler Gemeinde Bürglen besitzt acht Tellmonumente: drei Denkmäler, eine Kapelle, ein Museum, ein Hotel und ein Chalet. Ausserdem die beiden ältesten Schweizer Kirchenglocken mit Apfelschussrelief.

Anders als etwa Arnold von Melchtal oder Werner Stauffacher ist dem legendären Wilhelm Tell in den frühen Quellen zur Schweizer Geschichte jedoch nie ein Herkunftsort zugewiesen. Tatsächlich findet sich die Herkunftsangabe «Bürglen» erstmals im Stiftungsbrief der Bürgler Tellskapelle im Jahr 1582. In einer offiziellen Chronik erschient der Heimatort des Schweizer Volkshelden dann 1786 und etablierte sich schliesslich im Jahr 1804 dank Schillers Drama weltweit.

Abhilfe schuf der 1588 fertiggestellte Bildzyklus in der Bürgler Tellskapelle, der mit den Szenen «Abschied aus Bürglen» und «Tod im Schächen» den überlieferten Heimatort miteinbezieht. Auch die barocke und die historistischen Überarbeitungen der 11 Szenen hielten daran fest. Zuletzt wurden im Bildzyklus der Bürgler Tellskapelle die Szenen «Burgenbruch» und «Fall der Mauern von Jericho» ergänzt – eine ebenfalls einmalige Gegenüberstellung. Die ikonografischen Neuerungen aus Bürglen fanden wenig Nachfolge, trugen aber wesentlich zur Verankerung der Legende in der Geschichtsschreibung bei – einer Bedeutung, die Kunstwerken eher selten zuteil wird.

Eine Analyse der Quellenlage, der Bildzyklen der Tellskapellen in Sisikon, Bürglen und Küssnacht sowie der Ikonografie bildete im Jahr des Tellspieljubiläums den Kern einer grundlegenden Tellenpublikation.
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Marion Sauter, Wilhelm Tell und die Telldenkmäler in Bürglen. Altdorf 2012
→ Urner Wochenblatt 31.7.2012

Wilhelm Tell in der Kunst – Ausstellung anlässlich des 500. Tellspiel-Jubiläums
Tellmuseum, Bürglen
2012
→ Urner Wochenblatt 4.8.2012
→ Neue Urner Zeitung 2.8.2012

Die Riedertalkapelle in Bürglen

Die Riedertalkapelle ist neben der Erstfelder Jagdmattkapelle die bedeutendste Wallfahrtskapelle im Kanton Uri.

Der heutige Bau wurde zwischen 1545 und 1636 (Turm) in Etappen errichtet. Die Ausstattung, eine nahezu vollflächige Ausmalung des Schiffs, konnte 1645 fertiggestellt werden. Im 18. Jahrhundert wurde die Riedertalkapelle vollständig barockisiert.

Ende des 19. Jahrhunderts sollte die Kapelle erweitert werden. Namhafte Architekten wie Paul Siegwart und August Hardegger lieferten Entwürfe. Zur Ausführung sollte 1902 schließlich ein Projekt des Loreto-Architekten Josef Maria Gisler gelangen. Doch noch vor Beginn der Bauarbeiten wurde die ursprüngliche Freskenausstattung wiederentdeckt und der Originalzustand rekonstruiert. Verantwortlich zeichnete dafür Heinrich Gubler. Die Riedertal-Erfahrung prägte auch das spätere künstlerische Œuvre seiner Söhne Max, Eduard und Ernst.

Das Netzrippengewölbe der Riedertalkapelle gehört zu den wenigen erhaltenen Zeugnissen der Spätgotik in der Innerschweiz. Das ausgemalte Schiff gillt als «Urner Sixtina».
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Marion Sauter, Josef Maria (P. Mauritius) Gisler OSB. Werkverzeichnis, in: Loreto. Festschrift zum 350-jährigen Jubiläum der Loretokapelle Bürglen. Altdorf 2011, S. 97–114

Die Loretokapelle in Bürglen

Loretokapellen stellen die wichtigsten Sekundärreliquien der – nach Kirchenlehre – in den Himmel aufgefahrenen Gottesmutter dar. Die Kapellen sind Nachbildungen ihres ehemaligen Wohnhauses, eines kleinen, spätmittelalterlichen Baus, der einst von Engelshand ins italienische Loreto transloziert worden sein soll. Die Loreto-Rezeptionswelle erfasste ab dem 17. Jahrhundert nahezu das gesamte katholische Europa. Der 1661 geweihte Bürgler Bau war die vierte Loretokapelle der Schweiz und krönte den Kapellenbauboom des 16. und 17. Jahrhunderts im Urner Schächental.

Der Bautyp und die schlichte Ausstattung einer Loretokapelle waren festgeschrieben. 1885 ließen die Bürgler ihre Kapelle jedoch vollständig umgestalten. Der tiefgläubige spätere Benediktinermönch Josef Maria Gisler überzog die Wände mit bemalten Gobelins. Fortan wähnte man sich inmitten von Engelscharen. Der Entwurf ebnete Gisler den Weg in die Beuroner Kunstschule.

1960 wurde der unter den Gobelins gut konservierte Originalzustand wiederhergestellt. Das Rückbauschicksal traf fast alle um 1900 entstandenen Kirchenausstattungen in Uri und hinterließ eine Lücke in der Stilgeschichte – umso wichtiger ist ihre Dokumentation.
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Marion Sauter, Ein Wallfahrtstrend und ein Gnadenbild. Die Bürgler Loretokapelle, in: Loreto. Festschrift zum 350-jährigen Jubiläum der Loretokapelle Bürglen. Altdorf 2011, S. 26–70
Marion Sauter, Josef Maria (P. Mauritius) Gisler OSB. Werkverzeichnis, ebd., S. 97–114

Die Bürgler Loreto-Entwürfe von 1885 wurden 2012 in der Sonderausstellung «Herrlichkeiten» im Textilmuseum St. Gallen gezeigt.

→ Neue Urner Zeitung 2.11.2011
→ Urner Wochenblatt 1.11.2011
→ Neue Urner Zeitung 11.10.2011