Der Hochweg von Attinghausen

Der Alpenraum wird von Passwegen, vor allem von der Gotthardroute geprägt. Ihre Streckenführung bestimmt seit jeher die Siedlungsentwicklung. In der Reussebene reihten sich am linken Ufer der Reuss einst das Seedorfer Lazariterhaus, mehrere mittelalterliche Wohntürme und die Burg Attinghausen. Außerdem zweigt hier der Surenenpassweg in Richtung Engelberg ab. Die Fahrstraße wird jedoch zwischen Attinghausen und Erstfeld durch das Bockitoblel unterbrochen – die heutige Gotthardstraße und die Eisenbahn liegen auf der anderen Seite der Reuss.

Ein Grund, die ehemalige (früh-) mittelalterliche Streckenführung näher zu untersuchen: Das Bockitobel wurde einst mithilfe des Hochwegs von Attinghausen gequert, einer ausgesetzten, in den Fels gehauenen Passage. Der Hochweg zeigt eindrucksvoll die bescheidenen Anforderungen an den Ausbaustandard (früh-) mittelalterlicher Verkehrswege – ebenso wie das Pendant auf der anderen Talseite, der Brandtritt ob der Rinächtflue.

Beide Passagen umgehen die einst sumpfige Reussebene und sind nicht befahrbar. Sie wurden im Rahmen des Ausbaus der Gotthardroute im ausgehenden Mittelalter allmählich abgelöst, lokal jedoch bis weit ins 20. Jahrhundert hinein frequentiert. In der Geschichtsforschung sind der Hochweg und der Brandtritt nahezu in Vergessenheit geraten – zu sehr ist die Betrachtung von heutigen Standards geprägt, zu oft werden die mittelalterlichen Verkehrsströme über den Gotthard überhöht.
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Marion Sauter, Der Hochweg von Attinghausen – Auf den Spuren einer historischen Passage, in: Via Storia 1/2011, S. 19–25